Im Interview mit der in Hannover erscheinenden Neuen Presse (NP) nimmt Bernd Lange angesichts neuerer Entwicklungen deutlich Stellung.


NP-Interview

„Der völlig falsche Weg“

von Claudia Brebach

WILL MEHR TRANSPARENZ: EU-Parlamentarier Bernd Lange.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström steht ein heißer Sitzungsauftakt bevor: Am 31. August will der deutsche Chef des internationalen Handelskomitees im Parlament, der Europaabgeordnete Bernd Lange (SPD), mit ihr Tacheles in Sachen Transparenz bei den TTIP-Verhandlungen reden.

Ende Juni haben Sie in einem Interview mit uns betont, dass die TTIP-Verhandlungen in Sachen Transparenz vorankommen. Derzeit nimmt die Geheimniskrämerei jedoch erheblich zu. Steht wieder alles auf Anfang?

Es ist in der Tat ins Stocken geraten – in zweierlei Hinsicht. Einmal ist es immer noch nicht für alle Abgeordneten bei uns möglich, die vereinbarten Texte einzusehen. Das sind weiterhin nur 28, und schon dies ist unhaltbar, dass nach einem knappen Jahr seit meinem Gespräch mit Handelskommissarin Cecilia Malmström über die Transparenzinitiative im Oktober 2014 hier nichts vorangekommen ist. Und zweitens gibt es jetzt durch die Mitgliedsstaaten sogar noch einen Rollback-Versuch der Kommission, die Zugangsmöglichkeiten der nationalen Parlamentarier einzuschränken. Das ist nicht nur unhaltbar, sondern widerspricht natürlich auch deutschem Recht, nämlich den Vereinbarungen zwischen der deutschen Regierung und dem deutschen Bundestag.

Begründet wird dies in Brüssel mit einem Konflikt zwischen Transparenz und Vertraulichkeit. Ist das nachvollziehbar?

Teilweise. Auf der einen Seite muss man aber mal bei der Einordnung der Dokumente aufräumen. Da sind viele, die als vertraulich klassifiziert werden, die es gar nicht sind ...

... zum Beispiel?

Verhandlungspositionspapiere, Ergänzungen, Überarbeitungen. Und dann gibt es Papiere, da würde ich sagen, ja, das hat einen gewissen Vertraulichkeitscharakter – etwa wenn im Protokoll Aussagen und Positionen als Zwischenstand markiert sind. Bloß: Wenn man erkennt, dass dort Vertraulichkeit durchbrochen worden ist, kann man doch nur darüber nachdenken, Vertraulichkeit sicherzustellen, aber nicht, die Transparenz einzustellen. Das ist der völlig falsche Weg.

Das Blockadeverhalten der Kommission ist deutlich: Sie hat die aktuelle Forderung nach Transparenz durch Bundestagspräsident Norbert Lammert abgeschmettert und lässt die Papiere nur noch begrenzt in Brüssel einsehen.

Da geht es um zwei verschiedene Dokumentenarten. Erstens die vereinbarten Texte, zu denen bislang nur die 28 EU-Abgeordneten Zugang in einem Leseraum haben. Das ist nicht akzeptabel, wir wollen, dass alle 751 in Brüssel dies haben. Und ich finde auch, dass die nationalen Parlamentarier das gleiche Recht haben sollten, aber das ist eben von der amerikanischen Seite abgeschmettert worden. Nur Regierungsoffizielle – in Deutschland sind es um die 150 – haben Zugang zu den vereinbarten Texten.

... also bestimmte Beamte?

Ja. Die Stufe darunter sind die vertraulichen Texte, zu denen haben wir Zugang und der Bundestag durch eine Vereinbarung mit der Bundesregierung bislang auch. Das will die Kommission jetzt einschränken.

Wie geht es weiter?

Das muss jetzt ausgefochten und Transparenz endlich hergestellt werden. So kann man nicht weitermachen, das werden wir der Kommissarin deutlich machen. Sie hatte sich gegenüber dem Rat am 24. Juli geäußert und nicht gegenüber dem Parlament, sonst hätten wir da schon sehr deutlich reagiert. Das werden wir in der Sitzung nach der Sommerpause am 31. August nachholen.

Malmström hatte vor Monaten selbst den offenen Dialog als alternativlos angekündigt. Wie beurteilen Sie ihre Kehrtwendung?

Die ist da nicht konsequent.