Grenzüberschreitender Handel nimmt im Zeitalter der Globalisierung rapide zu. Wertschöpfungsketten erstrecken sich heutzutage über mehrere Kontinente hinweg, Grenzen und Entfernungen verlieren zunehmend an Bedeutung. 70 Prozent des globalen Handels finden innerhalb dieser Wertschöpfungsketten statt, einzelne Vorprodukte legen teilweise Tausende Kilometer zurück, bis sie endlich zu einem finalen Produkt zusammengesetzt werden.

Diese Entwicklung bringt Vorteile mit sich: Wir haben heute Zugriff auf eine nie da gewesene Vielfalt an Produkten, oft zu attraktiven Preisen. Viele deutsche Unternehmen sind international aktiv und profitieren dabei von einer Welt, die immer weiter zusammenwächst.

Die Kehrseite der Medaille: Der weltweite Wettlauf nach immer neuen, günstigen Produkten hat vielfach prekäre Arbeitsbedingungen zur Folge. Vor allem, aber nicht ausschließlich, in weniger entwickelten Ländern. Es wird vielerorts Raubbau an der Natur betrieben, und vom weltweiten Handel profitieren auch Unrechtsregime oder bewaffnete Gruppen, die ihre Konflikte mitunter durch den Handel mit wertvollen Mineralien finanzieren.

Offensichtlich besteht enormer Handlungsbedarf. Globalisierung muss in die richtige Bahn gelenkt werden. Ein Instrument dafür ist die Handelspolitik. Die vielfältigen Möglichkeiten von Handelsabkommen müssen richtig genutzt werden, um das Leben von Menschen auf der ganzen Welt zu verbessern.

Eins ist dabei klar: Globalisierung steuert man nicht, indem man sich darauf beschränkt, Zölle zu senken und Quoten abzuschaffen. Wer einen Unterschied machen will, braucht umfassende Abkommen. Diese müssen starke und durchsetzbare, den Handel begleitende Regeln zur nachhaltigen Entwicklung enthalten.

Selbstverständlich müssen die demokratische Kontrolle und Regulierungshoheit der Parlamente jederzeit gesichert sein - vor, während und nach Abschluss der Verhandlungen. Wenn es um sensible Bereiche geht, sind zwei weitere Dinge klar: In vielen Fragen wird es keine Kompromisse geben können - und es muss absolute Transparenz gelten.

Bilaterale Verhandlungen sind eine Möglichkeit, den Grundstein für globale Standards zu setzen. Die Gespräche mit den USA über TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) verfolgen diesen Ansatz.

Die Anforderungen sind für uns Sozialdemokraten hoch: TTIP muss ambitionierte Standards im Verbraucherschutz und bei Arbeitnehmerrechten garantieren, demokratische Entscheidungsprozesse respektieren, unlautere Klagen ausländischer Investoren von vornherein ausschließen und Chancen für europäische Unternehmen schaffen, insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe.

Um dies sicherzustellen, überwacht und beeinflusst das Europäische Parlament die Verhandlungen. Dabei haben wir viele Etappenerfolge errungen. So ist der europäische Vorschlag für ein TTIP-Nachhaltigkeitskapitel mit starken Arbeitnehmerrechten auf unseren Druck hin der mit Abstand ambitionierteste, den die Europäische Kommission jemals erarbeitet hat. Dieser kann den Standard für zukünftige Abkommen bilden.

Alleine durchsetzen können wir Europäer solche Errungenschaften nicht. Dazu braucht es Bereitschaft auch bei den Amerikanern. Doch diese lässt zu wünschen übrig, wie auch die aktuellen TTIP-Leaks bestätigen. Die USA-Verhandler sind nicht bereit, sich zu bewegen.

Im Gegenteil: Sie stellen Grundwerte der Europäischen Union wie etwa das Vorsorgeprinzip zum Schutz von Umwelt und Gesundheit konsequent infrage. Einen Abschluss der TTIP-Verhandlungen unter der Obama-Regierung sehe ich deswegen als illusorisch an.

TTIP könnte das Potenzial bieten, faire und nachhaltige Regeln für den globalen Wettbewerb aufzustellen. Wir werden weiter für hohe Standards streiten, um einen wertvollen Beitrag zur Bändigung der Globalisierung zu leisten.

Es wird Zeit, dass sich unsere amerikanischen Verhandlungspartner anschließen.

Der Autor ist Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament. Er ist Mitglied der SPD.