Für Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses des EU-Parlaments, ist das Abkommen mit Japan ein Vertrag, auf den man aufbauen und den man weiterentwickeln kann. Z.B. bei Arbeitnehmerrechten und beim Datenschutz, erklärt Lange im Interview. Künftig gehören aber auch Genderfragen und Regelungen gegen Korruption in die Verhandlungen, sagt er.

Im Interview. Handelsabkommen mit Japan: EU-Politiker Lange setzt auf Weiterentwicklung

Für Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses des EU-Parlaments, ist das Abkommen mit Japan ein Vertrag, auf den man aufbauen und den man weiterentwickeln kann. Z.B. bei Arbeitnehmerrechten und beim Datenschutz, erklärt Lange im Interview. Künftig gehören aber auch Genderfragen und Regelungen gegen Korruption in die Verhandlungen, sagt er.

Das Handelsabkommen mit Japan soll am Montag im Handelsausschuss abgestimmt und nachverhandelt werden. Worum geht es genau?

Ich würde es nicht Nachverhandlung, sondern Finetuning nennen. Es gibt drei Dinge, die wir geklärt haben möchten. So hat Japan zwei der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) noch nicht ratifiziert. Das betrifft die Beseitigung von Zwangsarbeit und das Verbot von Diskriminierung am Arbeitsplatz.

Wobei sich beim Thema Antidiskrimierung bereits etwas bewegt. Anders beim Verbot von Zwangsarbeit. Da besteht in Japan Sorge, mit dem öffentlichen Dienst anzuecken, denn es gibt dort wohl eine stärkere Arbeitsverpflichtung als in Deutschlands Beamtengesetz. Aber obwohl wir ein Streikverbot haben, verstoßen wir trotzdem nicht gegen das ILO-Übereinkommen. Deshalb sagen wir, dass Japan sein Gesetz im Sinne der Stärkung der Arbeitnehmerrechte ändern muss, schließlich handelt es sich um universelle Arbeitnehmerrechte. Die japanische Regierung hat bereits zu beiden Themen eine ministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet.

Und auch die Durchsetzbarkeit und Implementierung der Regeln des Abkommens muss geschärft werden. Da erwarten wir ein klares Statement der japanischen Seite.

Und das dritte Thema?

Da geht es um den Datenflow und darum, dass bei personenbezogenen Daten unsere Datenschutzgrundverordnung gilt. Auch das muss Japan respektieren. Zu diesen und weiteren Punkten werden wir am Montag im Handelsausschuss eine Positionsbestimmung verabschieden. Bevor wir im gesamten EU-Parlament abstimmen, wollen wir dazu von Japan eine klare Verpflichtung und vor allen Dingen auch einen klaren Zeitplan. So sind wir beim Handelsabkommen mit Kanada auch verfahren.

Wie steht es um den Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge? Kritiker des Abkommens befürchten, dass diese durch private Investoren gefährdet sein könnte. Ist ihre Sorge berechtigt?

Die Sorge ist nicht berechtigt. Denn es gibt eine horizontale Ausnahme der öffentlichen Daseinsvorsorge. Heißt konkret: Alle Dienstleistungen, die in öffentlicher Hand sind, sind von diesem Vertrag ausgeschlossen und müssen nicht für japanische Anbieter liberalisiert werden. Ausländische Dienstleister sind dann zugelassen, wenn Aufträge privat vergeben werden. Nun gibt es aber einige Bereiche, die meines Erachtens zwar eigentlich zur Daseinsvorsorge gehören, wie z.B die Wasserversorgung, die aber beispielsweise wie in Braunschweig privatisiert ist. Hier können wir es einem japanischen Unternehmen nicht verbieten, dass es sich an einer Ausschreibung bewirbt.

Aber wir haben einen Regulierungsvorbehalt eingefügt. Würde sich die Stadt Braunschweig, wie Berlin es gemacht hat, entscheiden, die Wasserversorgung wieder unter öffentliche Kontrolle zu nehmen, bleibt dies immer möglich und es könnte sich ein japanischer Investor nicht beschweren. Diesen Regulierungsvorbehalt hat jeder Investor zu akzeptieren.

Worauf fußt dann die Kritik?

Das liegt möglicherweise noch in der Tradition der TTIP-Verhandlungen, in deren Verlauf solche Vorbehalte von den USA infrage gestellt worden sind. Und in diesem Abkommen sidn wir von einem Negativlistenansatz ausgegangen. Das heißt: Es gibt einen generellen Marktzugang für japanische Anbieter und auch eine Gleichbehandlung zwischen Europäischen und japanischen Anbietern, bis auf die Ausnahmen z.B. der Daseinsvorsorge. Ein anderen Ansatz, eine Positivliste der liberalisierten Bereiche wäre einigen lieber und ist wahrscheinlich auch einfacher. Aber das Japan-Abkommen finde ich nicht problematisch, weil starke Sicherheitsnetze geknüpft worden sind.

Wie sieht es mit der Überwachung und Kontrolle der Regeln aus?

Ähnlich wie beim Abkommen mit Kanada ist ein Revisionskapitel enthalten. Derzeit sind wir mit den Kanadiern im Gespräch darüber, wie die Rechte der Beteiligung der Zivilgesellschaft gesichert werden können. Diese Anforderungen haben wir auch an Japan. Denn diese Mechanismen, wie wir sie mit dem Prinzip unserer Sozialpartnerschaft kennen, sind in Japan nicht bekannt. Aber in den Domestic Advisory Groups, wie wir die Beratungsgruppen zur Kontrolle des Abkommens nennen, kommen sowohl Vertreter von Arbeitgebern als auch Gewerkschaften und auch aus NGOs zusammen. Sie überwachen gemeinsam. Auch das ist eine neue Struktur, die da geschaffen wird.

Aus sozialdemokratischer Sicht ist der Vertrag also in Ordnung?

Unter dem Vorbehalt, dass das Finetuning noch erfolgt, Ja. Hier sind viele unserer Forderungen eingeflossen. Der Vertrag beinhaltet erstmals ein Kapitel über gute Unternehmensführung und ein Kapitel zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens. Das ist ein regelbasierter Vertrag, auf den man aufbauen und ihn weiterentwickeln kann. Darüber hinaus müssen künftig auch Genderfragen und Regelungen gegen Korruption oder Steuervermeidung aufgenommen werden. Man kann auch von einer ständigen Weiterentwicklung sprechen.

Zunehmend zeigen sich jedoch global nationalistische und protektionistische Tendenzen. Präsident Trump hat einen rücksichtlosen „America first“-Kurs zu Lasten von langjährigen Partnern u.a. der EU und Japan eingeschlagen. Diesem Kurs müssen wir uns entschieden widersetzen. Denn weltweiter Handel kann nur fair sein, wenn er auf Grundlage von guten Regeln stattfindet, die man gemeinsam entwickelt. Verbraucher haben ein klares Interesse an Preisen, die nicht durch schlechte Politik aufgebläht sind und hohen Schutzstandards. Arbeitnehmer brauchen Absicherung ihrer Rechte, Verlässlichkeit und Handlungsmöglichkeiten, um Gestaltungskraft zu haben. Japan und die EU zusammen machen ein Drittel des globale Wertschöpfung und 40 Prozent des globalen Handels aus. Das Recht des Stärkeren darf nicht das Leitmotiv werden. Japan und die EU können mit einem guten Abkommen ein Zeichen für einen regelbasierten Handel in stürmischen Zeiten setzen.