Historische Fahrzeuge sind Teil des europäischen Automobilen Kulturguts. Sie zeigen die prägende Rolle der Entwicklung unserer Mobilität in den letzten 150 Jahren. Dabei wurde und wird Mobilität stetig weiterentwickelt und die historischen Fahrzeuge geben Zeugnis davon ab. Neben der kulturgeschichtlichen Bedeutung der historischen Fahrzeuge bilden sie zudem einen wichtigen Wirtschaftsfaktor gerade für kleinere Unternehmen in Europa: Werkstätten, Zulieferer, Oldtimerclubs, Fachzeitungen, Veranstaltungen generieren Wertschöpfung und Arbeit.

Die gesellschaftlichen Anforderungen an Mobilität verändern sich weiter. Alternative Mobilität durch E-Fahrzeuge und Digitalisierung sind die offensichtlichen Beispiele dieser Veränderungen. Damit stellt sich unweigerlich die Frage, welche Rolle den historischen Fahrzeugen zukommt. Denn ein Verbannen ins Museum ist nicht die angemessene Praxis des automobilen Kulturgutes, historische Fahrzeuge gehören auf die Straße. Dies ist ein, natürlich sehr wichtiger Aspekt der Pflege des Automilben Kulturgutes, der historischen Fahrzeuge in Europa. Um hier aktiv zu werden hat sich im Jahr 2010 die Arbeitsgruppe für historische Fahrzeuge (HVG) im Europäischen Parlament gegründet. Unter dem Dach der HVG haben sich Europaabgeordnete aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten und politischen Parteien zusammengefunden und ziehen zur Beratung Experten aus Verbänden und der Europäischen Kommission hinzu. So wurde ein Forum geschaffen, welches den Wissensaustausch im Bereich historische Fahrzeuge fördert und ermöglicht, relevante politische Entwicklungen kritisch zu begleiten. In diesem Rahmen wurde bereits über eine breite Themenvielfalt debattiert.

Zu Beginn ihrer Arbeit hat sich die HVG insbesondere um eine erste europaweite Definition von historischen Fahrzeugen bemüht, die als Meilenstein dann zuerst Eingang in die europäische Gesetzgebung zur periodischen technischen Überwachung fand. Diese Definition ist zum europäischen Standard geworden.

Definition eines historischen Fahrzeuges (Richtlinie 2014/45/EU)

Ein Fahrzeug von historischem Interesse ist ein Fahrzeug, das von dem Mitgliedstaat, in dem die Zulassung erfolgt ist, oder von einer seiner dazu ermächtigten Stellen als historisch betrachtet wird und alle der folgenden Voraussetzungen erfüllt:

- es wurde vor mindestens 30 Jahren hergestellt oder erstmals zugelassen

- sein gemäß dem einschlägigen Unions- oder einzelstaatlichen Recht festgelegter spezifischer Fahrzeugtyp wird nicht mehr hergestellt

- es ist historisch erhalten, im Originalzustand bewahrt, und die technischen Merkmale seiner Hauptbauteile wurden nicht wesentlich verändert

Die neue Definition ist auch in die Überarbeitung des Zolltarifs 9705 00 00 eingeflossen. Hier geht es um die Einfuhr von historischen Fahrzeugen in die EU. Vorher wurde diese Zolllinie mit der Einstufung als Sammlungsstück von geschichtlichem und völkerkundlichem Interesse quasi nur für exklusive Sammlerstücke genutzt, alle anderen importierten Fahrzeuge wurden mit 10 % Zoll und dem vollem Mehrwertsteuersatz belegt. Die HVG hat sich für eine Änderung stark gemacht. Ziel einer überarbeiteten Version war zum einen die Gleichbehandlung in allen Mitgliedsstaaten der EU bei der Einfuhr von historischen Fahrzeugen aus dem nicht-europäischen Ausland und zum zweiten durch die klare Definition die Anwendung des Zollsatz 0% und des halbieren Mehrwertsteuersatz für historische Fahrzeuge garantieren. Und heute werden Historische Fahrzeuge, die die Kriterien erfüllen, nun nur noch beim Import mit 7 % Einfuhrumsatzsteuer belegt.

2018 hat das Europäische Parlament bei der Reform der Gesetzgebung zur Erhebung von Straßenbenutzungsgebühr (Eurovingette) auf Initiative der HVG Sonderregelungen für historische Fahrzeuge beschlossen. Damit setzt sich die Linie der HVG weitere fort, basierend auf einer klaren Definition für historische Fahrzeuge in den europäischen Gesetzgebungen Raum für den Bestand des Automobilen Kulturguts zu erhalten. Im November 2021 haben sich nun Europäischen Parlament und Ministerrat, der Vertretung der 27 Mitgliedstaaten, sich auf die neue Gesetzgebung geeinigt und die Vorschläge der HVG und übernommen:

„Um das Automobilerbe der Union zu erhalten, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, Fahrzeuge von historischem Interesse einer gesonderten Kategorie zuzuordnen, sodass die gemäß der vorliegenden Richtlinie erhobenen Gebühren angepasst werden können. „Fahrzeug von historischem Interesse“ Fahrzeuge von historischem Interesse im Sinne von Artikel 3 Absatz 7 der Richtlinie2014/45/EU des Europäischen Parlaments und des Rates.“

Stetig befasst sich die HVG auch mit dem Zugang zu europäischen Umweltzonen. Um dem aufgrund von verschiedensten nationalen und lokalen Regelungen existierenden Flickenteppich ein Ende zu bereiten, setzt sich die HVG dafür ein, dass zukünftige europäische Leitlinien im Bereich Umweltzonen die europaweite Definition historischer Fahrzeuge enthalten. Durch einheitliche Vorgaben würde den Kommunen Hilfestellung in dem Bereich gegeben und Ausnahmeregelungen für historische Fahrzeuge transparent und einheitlich geregelt werden.

Eine andere brisante Debatte ist weiterhin die Frage der Versorgung von historischen Fahrzeugen mit Ersatzteilen, die Stoffe enthalten, die heute nicht mehr zugelassen sind, z.B. Chromverbindungen und Blei in Lagerschalen und Kabeln. Hier bemüht sich die HVG eine Lösung zu finden, die zum einen im Einklang mit der Europäischen Chemikalienverordnung REACH steht, aber auf der anderen Seite den Erhalt historischer Fahrzeuge sichert.

Ende November 2018 hat die HVG ein Positionspapier der Arbeitsgruppe zur Zukunft der historischen Fahrzeuge vorgestellt. Klar ist, dass, angesichts der starken Transformation im Verkehrssektor mit E-Mobilität, autonomen Fahrzeugen und neuen Mobilitätsformen, große Herausforderungen für historische Fahrzeuge bestehen laut der IfD-Allensbach Oldtimer-Studie 2017/2018 sinkt – trotz eines steigenden Fahrzeugbestands – das allgemeine Interesse an historischen Fahrzeugen in der Bevölkerung. Deswegen macht das Papier der HVG klar:

- Nicht jedes alte Auto ist ein historisches Fahrzeug, klare Kriterien sind nötig.

- Wir brauchen politische Interventionen, die die Funktionsweise des Kulturgutes historisches Fahrzeug sicherstellen.

- Die Bewegung für historische Fahrzeuge muss aktiv einen Beitrag zur Integration in den Transformationsprozess leisten.

Das Positionspapier der HVG soll die Diskussion über die Zukunft der historischen Fahrzeuge anregen. Kommentare dazu sind erwünscht. Auch 2030 soll erlebbares automobiles Kulturgut auf der Straße zu sehen sein.

Das Positionspapier ist hier zu finden:

Der Artikel wurde in der Zeitschrift Deutscher Automobil-Veteranen-Club e.V. 1-2022 53. Jahrgang veröffentlicht und ist hier nachzulesen: