10 Gründe für den Euro und die Währungsunion

Ein schnelles Ende der Krise ist nicht in Sicht. An den Stammtischen werden da gerne die "einfachen" Lösungen gehandelt: Schuldnerländer raus aus der Währungsunion oder gleich ganz weg mit dem Euro. Doch die vermeindlich einfachsten Lösungen sind nicht immer die besten. Wir zeigen, warum wir den Euro, die Währungsunion und den gemeinsamen europäischen Markt brauchen.

veröffentlicht von: IG Metall 9/2011

1. Der Euroraum ist die wichtigste Exportregion der deutschen Wirtschaft.
Die deutsche Wirtschaft "lebt" wie kaum eine andere Volkswirtschaft vom Export. Die Kunden im Ausland sichern bei uns Millionen von Arbeitsplätzen. Die wichtigsten Abnehmer deutscher Waren sind die Europäer. Das belegen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Danach wurden von allen Gütern und Dienstleistungen, die 2010 aus Deutschland ausgeführt wurden, 41 Prozent in die Eurozone geliefert. Auch für die Metallindustrie ist Europa ein wichtiger Markt: 34,2 Prozent ihrer Produkte exportierte sie in die Eurozone. Erst mit großem Abstand folgen Asien (20 Prozent) und Amerika (13 Prozent).


2. Länder, die pleite sind, können nichts mehr in Deutschland kaufen.
Exporte nach Griechenland machen nur etwa zwei Prozent der deutschen Ausfuhren aus. Wenn das Land zahlungsunfähig wird, könnte Deutschlands Wirtschaft das zwar ohne größere Blessuren verkraften. Aber wenn größere Volkswirtschaften wie Spanien und Italien auch davon betroffen wären, würde das in Deutschland "zu spürbaren wirtschaftlichen Einbrüchen führen", wie Peter Hohlfeld, Konjunkturexperte beim Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf berichtet.


3. Schuldenländer aus dem Euro rauswerfen, schadet allen.
Die gemeinsame Währung hat gerade die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produkte enorm erhöht. Wenn die hoch verschuldeten Länder aus der gemeinsamen Währung "herausgeworfen" werden, werten sie ihre Währungen ab, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Der "Resteuro", der dann nur noch die Währung der wirtschaftlich stärksten EU-Länder ist, steht dann unter massivem Aufwertungsdruck. Ein Zurück zur D-Mark hätte sogar eine sofortige Aufwertung um bis zu 40 Prozent zur Folge. Das würde die deutschen Produkte im Ausland massiv verteuern und darum zu starken Einbrüchen bei der Auslandsnachfrage führen. Die IG Metall in Baden-Württemberg hat ausgerechnet, dass das allein in diesem Bundesland rund 200 000 Arbeitsplätze bedrohen würde.


4. Wenn Griechenland "fällt", werden andere mit nach unten gerissen.
Wenn die europäischen Nachbarn Griechenland nicht beim Abbau seiner Schulden unterstützen, droht ihm der Staatsbankrott. Das Land kann seine Kredite dann gar nicht mehr abbezahlen. Dann haben auch die deutschen Gläubiger - Staat, Banken, Versicherer, andere private Gläubiger - das Nachsehen. Deutsche Banken halten griechische Staatsanleihen im Wert von 17 Milliarden Euro, deutsche Versicherungen im Wert von drei Milliarden. Die deutschen Gläubiger würden Milliardenverluste erleiden. Betroffen sind dann auch die deutschen Steuerzahler, denn sie bürgen zum Beispiel über den Rettungsfonds für Kredite.
Fällt Griechenland, geraten die gesamten Finanzmärkte ins Strudeln. Wenn private Gläubiger nicht mehr sicher sein können, dass Staatsanleihen getilgt und Zinsen gezahlt werden, verwandelt sich für Anleger der gesamte Euroraum in eine Risikozone. Risikoaufschläge und Zinsen steigen dann besonders für die Eurostaaten mit den größten wirtschaftlichen Schwierigkeiten noch weiter. Die Finanzmärkte verschlechtern ihre Kreditkonditionen auch für andere Länder. Es entsteht eine Abwärtsspirale, die nicht mehr gebrochen werden kann.


5. Die deutsche Wirtschaft profitiert von der stabilen Währung.
Seit der gemeinsamen Währung ist die Inflationsrate im Euroraum mit durchschnittlich 1,97 Prozent pro Jahr gering. Geringe Inflation bedeutet, dass die Bürger und die investierende Wirtschaft für das gleiche Geld mehr Waren und Dienstleistungen kaufen können und damit die Konjunktur stärken.


6. Der Euro verhindert Währungsturbulenzen durch Spekulation.
Seit der Euro eingeführt wurde, blieben die europäischen Währungen - anders als beim früheren Europäischen Wechselkurssystem (EWS), das von 1979 bis 1998 galt - von heftigen spekulativen Attacken der Finanzmärkte verschont. Dadurch blieb der Euro stabil. Der Euroraum hat der Währungsspekulation, die die Märkte verunsichert und den internationalen Handel bedroht, ein riesiges Geschäftsfeld entzogen. Gäbe es in den 17 Euroländern statt einer wieder 17 Währungen, würde das die Währungsspekulation erneut anheizen.


7. Eurobonds helfen.
Um die Zinslasten für Defizitländer wie Griechenland bezahlbar zu machen, spricht sich die IG Metall, wie etliche Wirtschaftsexperten, für "Eurobonds" aus. Das sind gemeinsame Euro-Anleihen aller Euroländer. Indem die wirtschaftlich schwachen gemeinsam mit den starken Ländern als Einheit auftreten, können sie bessere Konditionen für Kredite auf den Finanzmärkten durchsetzen, das heißt auch niedrigere Zinsen für die Defizitländer.


8. Hilfe für die Euroländer ist für Deutschland kein Fass ohne Boden.
Eurobonds, Rettungsfonds und andere Hilfeleistungen an Defizitländer sollten an Bedingungen geknüpft werden, die das Ziel haben, Schulden abzubauen: Das heißt, die Länder sollen Maßnahmen ergreifen, die die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft verbessern und Wirtschaftswachstum fördern. Denn die Krisen in Griechenland, Irland, Portugal, Italien und Spanien sind auch Probleme ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) schlägt zum Beispiel vor, Defizite und Überschüsse der einzelnen Länder sollten von einem neu zu gründenden "Europäischen Währungsfonds" (EWF) überwacht werden. Zu hohe Schulden oder Überschüsse sollen dann ein Verfahren zum Abbau der Ungleichgewichte nach sich ziehen.
Die Wirtschaftssstruktur und das Steuersystem müssen so verbessert werden, dass ein Land wie Griechenland in der Lage ist, höhere Einnahmen zu erzielen und damit seine Schulden abzubauen. Radikaler Schuldenabbau durch staatliche Ausgabenkürzungen verschlimmert die wirtschaftliche Misere nur. Die Defizitländern brauchen ausreichend Zeit, um Reformen umzusetzen .


9. Banken sollten sich an der Rettung beteiligen.
Die durch Spekulation verursachte Finanzkrise hat massiv zur Finanznot einiger Euroländer beigetragen. Die Staaten mussten Banken umfassende Garantien geben, ihre Volkswirtschaften mit Konjunkturmaßnahmen stützen und massive Steuerausfälle verkraften.Zwar sieht das jüngste Hilfspaket der Eurostaaten eine Beteiligung der Banken, Versicherungen und anderer Gläubiger vor, weil sie die Probleme mit verursacht haben. Sie sollen bis 2014 fast 50 Milliarden beisteuern. Aber die IG Metall eine andere Lösung für besser und sicherer: eine Finanztranksaktionssteuer und eine Bankenabgabe. Sie belasten nicht nur die einzelnen Banken, die Anleihen von Krisenländern halten. Die Steuer und Bankenabgabe würden der Europäischen Union schätzungsweise 200 Milliarden zusätzliche Einnahmen bescheren.


10. Europa braucht eine starke gemeinsame (Wirtschafts-)Regierung.
Die IG Metall ist der Auffassung: Wenn das Projekt Europa auf Dauer erfolgreich sein soll, nützen Alleingänge nichts. Im Gegenteil: Wir brauchen mehr Europa. Sinnvoll sind gemeinsame Projekte, um über Investitionen die Wirtschaft zusätzlich anzukurbeln. Ein wichtiges Betätigungsfeld mit großen Zukunftsperspektiven ist zum die Energiewende. Vielleicht gelingt es, Entwicklungen anzustoßen, von denen auch der an Industrie arme, aber an Wind uns Sonne reiche Süden profitieren kann. Der Ausstieg aus der riskanten Atomenergie und der Einstieg in eine attraktive alternative Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Biomasse kann nur Länder übergreifend umgesetzt werden. Investitionen in die wirtschaftliche Zukunft Europas kosten viel Geld. An der Finanzierung sollten sich die Vermögenden in Europa beteiligen, zum Beispiel über "Zukunftsanleihen", die fest verzinst werden. Um wirtschaftlich stark zu werden, muss Europa sich zu einer echten politischen Union entwickeln, die in der Wirtschaftspolitik an einem Strang zieht.

Position der IG Metall, veröffentlicht September 2011