Die Regierungen in Europa waren trotz monatelanger Beratungen am letzten Wochenende nicht in der Lage, sich auf einen Nenner zu einigen und einen zu Ende gedachten Plan zu entwickeln. Diese Vertagung von Beschlüssen war ein trauriges Eingeständnis von Unvermögen und ein verheerendes Signal. Die Verabredungen des gestrigen Gipfels der Staats- und Regierungschefs sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ausreichend.

Der beschlossene Schuldenschnitt kann dazu beitragen, die griechische Schuldenlast endlich wieder dauerhaft tragfähig zu machen. Aber leider handelt es sich um einen freiwilligen Schuldenschnitt. Es bleibt abzuwarten, ob die Banken ihr Versprechen am Ende tatsächlich halten. Um es deutlich zu sagen: Mein Vertrauen in die Banken ist begrenzt. Eine verpflichtende Beteiligung der Banken wäre die tragfähigere Entscheidung gewesen, mit der die Verschuldung zuverlässig hätte verringert werden können. Die Beschlüsse bleiben in anderen Punkten ebenfalls unklar. Eine Rekapitalisierung von sogenannten systemrelevanten europäischen Banken ist vorgeschlagen (Kernkapitalquote von vier auf neun Prozent), aber ihre Geschäftspolitik bleibt unberührt. Risikoreiche Finanzgeschäfte bleiben mit normalen Bankgeschäften verbunden. So wird das Risiko nicht gemildert. Und auch die Details des Hebels zur Erhöhung der Wirkung des Kapitals des Rettungsschirms EFSF sind unklar.

Es macht keinen Sinn, immer wieder der Entwicklung hinterherzulaufen. Griechenland muss Strukturreformen durchführen und den Haushalt in den Griff kriegen, aber es muss auch eine langfristige Perspektive da sein, um die wirtschaftliche Genesung angehen zu können. So bedarf es realistischer Zins- und Abtragsbelastungen; griechische Banken müssen in der Lage sein gerade Mittelstandskredite vergeben zu können. EU-Strukturmittel müssen Wachstum fördernd eingesetzt werden.

Allerdings wird im Augenblick nur darauf geachtet, dass Griechenland die Zins- und Abtragsforderungen der Banken bedienen kann. Was für ein irrer Kreislauf! Da werden europäische Banken mit ca. 400 Mrd. € stabilisiert, nachdem sie die Finanzkrise mit hervorgerufen haben. Dafür und für Konjunkturprogramme verschulden sich die EU-Länder – und werden nun wegen der Verschuldung schlechter bewertet, so dass sie nun höhere Zinsen an die eben geretteten Banken zahlen müssen. Die schwarzgelbe Bundesregierung richtet ihre Politik am zentralen Ziel aus, die Zahlungen an die Banken sicherzustellen. Damit sind die Ursachen der Krise aber noch nicht beseitigt. Wir brauchen dringend eine Finanztransaktionsteuer! Damit sich Europa in Zukunft nicht von einer Krise zur nächsten hangelt, müssen den Finanzmärkten wieder viel stärker verbindliche Spielregeln auferlegt werden, damit die ursprüngliche Funktion von Banken wieder zum Tragen kommt. Schließlich sollten die Banken Geld für die Realwirtschaft und damit für die Arbeitsplätze der Menschen auch in Niedersachsen zur Verfügung stellen, statt eigenständig riskante und/oder spekulative Finanzgeschäfte zu tätigen. Deswegen muss das sogenannte Investmentgeschäft vom normalen Bankgeschäft getrennt werden.

Außerdem muss endlich eine gemeinsame europäische Politik für Wachstum und Beschäftigung eingeleitet werden. Dazu bedarf es keiner neuen Gremien oder Hilfskonstruktion. Die EU-Kommission ist zu stärken in der Funktion einer Wirtschaftsregierung. Und sie steht unter der parlamentarischen Kontrolle des Europäischen Parlamentes. Erfreulicherweise hat der Kommissionspräsident Barroso dies endlich auch einmal öffentlich klar gestellt. Die EU-Kommission als Wirtschaftsregierung ist nicht nur effizienter, sondern auch demokratischer als Verhandlungen zwischen nationalen Regierungen das sein können. Letztere können von den 27 nationalen Parlamenten der EU kaum ständig kontrolliert werden. Die Staats- und Regierungschefs sollten dies endlich akzeptieren und das zwischenstaatliche „Kuhhandeln“ sein lassen.

Anfang des 19. Jahrhunderts haben die Staatschefs beim Wiener Kongress eigenmächtig über das das Wohl und Wehe von Staaten und ihren Menschen entscheiden können. Diese Zeiten sind vorbei. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Nicolas Sarkozy sind besonders dafür verantwortlich, wenn Ratstreffen zu Gipfel des Dilettantismus verkommen, denn sie hängen dieser überkommenen Politikvorstellung der zwischenstaatlichen Verhandlungen von nationalen Regierungen an. Die Zukunft Europas und die europäische Gemeinschaftsidee darf nicht nationalstaatlichen Egoismen zum Opfer fallen und damit die Demokratie schleichend aushöhlen.