Von Stephan Weil

Wie einst die Industrialisierung Europas zum Vorbild wurde, muss nun die ökologische Industrialisierung zum Vorbild werden. Green Tech ist Europas Zukunft. Das bedeutet nachhaltige Jobs und Wertschöpfung. Die EU muss eine maßgebliche Rolle bei der Koordinierung des Umbaus der Energieversorgung übernehmen.

Deutschland hat sich dafür entschieden, auf die Nutzung der Kernenergie ab 2022 zu verzichten. Sie ist mit einem gesellschaftlich nicht akzeptablen Risiko verbunden. Eine Technologie, deren Einsatz absolute Sicherheit voraussetzt und bei der die Frage der Endlagerung nicht gelöst ist, kann keine Zukunftsoption für eine nachhaltige Energieversorgung sein. Auch Europa muss jetzt intensiv darüber nachdenken, wie es in absehbarer Zukunft ohne Kernenergie auskommen kann. Gleichzeitig werden fossile Energien immer knapper und teurer. Wir müssen das Energiesystem deshalb gründlich umbauen. Bei dieser Wende müssen wir allerdings dafür sorgen, dass Energie bezahlbar bleibt, dass die Importabhängigkeit gesenkt und parallel die Versorgungssicherheit gesteigert wird.

Die tragende Säule einer sinnvollen und nachhaltigen Klima- und Energiepolitik ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Bio- und Windenergie. Für 2020 strebt Europa einen Anteil der erneuerbaren Energien von 20 Prozent am Primärenergieverbrauch an. Doch wenn wir sie sinnvoll einbinden wollen, müssen wir parallel den Netzausbau forcieren, insbesondere die Verteilnetze vor Ort. Neben den Netzen und den Erneuerbaren kommt der Energieeffizienz eine wesentliche Rolle zu. Denn die beste Energie ist die, die wir erst gar nicht verbrauchen.

Effizienz, Netzausbau und erneuerbare Energien müssen vor Ort umgesetzt werden. Noch heute ist die Energieversorgung in Europa vorwiegend zentral ausgerichtet. Wenige Großkraftwerke in der Hand weniger Unternehmen bringen die Energie über lange Übertragungsnetze zu den Verbrauchern. Dezentrale Erzeugungsanlagen sind bislang nur eine Ergänzung. Genau hier wird eine Trendwende erfolgen. Denn um die Potenziale an Ort und Stelle zu nutzen, werden künftig viele Millionen kleine Erzeugungsanlagen Strom in die Verteilnetze vor Ort einspeisen. Erzeugung und Verbrauch werden lokal und intelligent ausgesteuert. Unterstützt wird dieses System von zentralen Stromspeichern aber auch von dezentralen Speicherlösungen wie etwa Fernwärmenetzen und Elektrofahrzeugen. Damit dreht sich das Bild um: In Zukunft ergänzen zentrale Strukturen die dezentralen.

Vorreiter für eine sichere und saubere Energieversorgung in Europa ist Deutschland. Die große Koalition hat mit dem Integrierten Energie- und Klimaprogramm den Weg in eine dezentrale Energiezukunft gewiesen. Hierzu zählen der Ausbau der Erneuerbaren, der Kraft-Wärme-Kopplung und die Steigerung der Effizienz. 2050 soll dann 60 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen. Um die CO2-Emmissionen bis 2050 tatsächlich um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 zu senken, müssen 50 Prozent des Primärenergiebedarfs eingespart werden. Deutschland beschreitet damit den Weg der Dezentralisierung. Unsere starke kommunale Ebene stützt dieses Prinzip.

Die EU muss eine maßgebliche Rolle bei der Koordinierung des Umbaus der Energieversorgung übernehmen. Wie einst die Industrialisierung Europas zum Vorbild wurde, muss nun die ökologische Industrialisierung zum Vorbild werden. Green Tech ist Europas Zukunft. Das bedeutet nachhaltige Jobs und Wertschöpfung. Dafür benötigen wir aber einen europäischen Energiebinnenmarkt mit ausgebauten Grenzkuppelstellen, für den Übergang eine zuverlässige Rohstoffversorgung und ein verbindliches internationales Abkommen zur Senkung der CO2-Emissionen. Das kann nur die EU organisieren und leisten!

Stephan Weil ist Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen und Oberbürgermeister der Stadt Hannover.