EU-Kommission greift vergebens in die Trickkiste
Wie aus Kommissionskreisen bekannt wurde, will die EU-Behörde die Verhandlungen zum
Handelsabkommen mit Kanada (CETA) für abgeschlossen erklären, ohne den Text vorher paraphiert
zu haben.

Mit der Paraphierung eines Abkommens geben beide Verhandlungsseiten offiziell bekannt, dass man sich auf einen gemeinsamen Text geeinigt hat, indem die Chefunterhändler jede einzelne Seite des Abkommens mit ihren Initialen versehen. Obwohl es sich dabei nicht um einen formell notwendigen Schritt handelt, besitzt die Paraphierung wichtigen Symbolcharakter.

Bernd Lange, SPD-Europaabgeordneter und Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel, kritisiert die Entscheidung, diesen Schritt umgehen zu wollen: "Die EU-Kommission ist auf dem Holzweg, wenn sie glaubt, mit dieser durchsichtigen Taktik die Kritik des Parlaments umgehen zu können. Uns bleibt nun erst recht genügend Spielraum, um an den umstrittenen Stellen des Textes zu arbeiten." Das Europäische Parlament wird sich nicht davon abhalten lassen, seine Bedenken gegenüber dem Ministerrat und der EU-Kommission deutlich zum Ausdruck bringen.

Die SPD-Europaabgeordneten kritisieren vor allem das im Vertragstext vorgesehene Kapitel für außergerichtliche Streitschlichtungsverfahren (ISDS). Ein ISDS-Verfahren ermöglicht es Investoren, die EU oder ihre Mitgliedstaaten jenseits vom normalen juristischen Verfahren vor internationalen Schiedsgerichten direkt auf Entschädigung für entgangene Gewinne oder Enteignung zu verklagen. So könnten private Investoren gegen von souveränen Staaten erlassene Gesetzgebung auch in den wichtigen Bereichen Gesundheit, Umwelt oder Verbraucherschutz vorgehen. "Klauseln, die die Möglichkeit von außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahren vorsehen, dürfen nicht Teil des Abkommens sein, über das wir Europaparlamentarier letztendlich entscheiden werden", fordert Bernd Lange. "Zudem wertet die EU-Kommission derzeit ein Konsultationsverfahren zu ISDS aus. Die Behörde läuft Gefahr, ihre eigene Arbeit zu entwerten, wenn sie die Ergebnisse des Konsultationsverfahrens nicht in den Abkommenstext einfließen lässt."

Den Zeitpunkt des Verhandlungsabschlusses sieht Bernd Lange aber auch aus weiteren Gründen kritisch: "Die Verhandlungen zu einem derart bedeutendem und weitreichendem Abkommen im Vakuum zwischen zwei Kommissionen abzuschließen, ist mir nicht verständlich. Gerade wenn man sich die eindeutigen Aussagen des neuen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker gegen ISDS in Erinnerung ruft, hätte man sich mit einem Aufschub im Nachhinein sicherlich viele Kopfschmerzen erspart."