40 Zuhörer lauschen im Amtshof dem Vorsitzenden des Handelsausschusses des Europaparlaments

Von Martin Lauber

Bernd Lange: „Wir müssen das Wichtige besser machen.“

Großburgwedel. Locker auf der Tischkante sitzend, könnte er wohl noch Stunden so weiter parlieren, vom Detail ins Grundsätzliche zoomen und umgekehrt – locker im Ton, eindringlich in der Botschaft. „Das, was die Rechtspopulisten versuchen uns klarzumachen – dass der Nationalstaat die Lösung sei –, ist falsch.“ Falsch, gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht, unterstreicht der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europaparlaments. In Zeiten, in denen andere Mächte größeres Gewicht bekämen, könne ein wirtschaftliches Leichtgewicht schnell mal als Bettvorleger der Tigerstaaten enden. In England wachse gerade die Erkenntnis, dass nach dem Brexit ohne starken EU-Verbund eher ein Souveränitätsverlust drohe.

Bernd Lange, seit 23 Jahren Abgeordneter in Straßburg, ist mal wieder bei seinen Genossen in Burgwedel zu Gast. Rund 40 Zuhörer hat sein Thema „Europa, quo vadis?“ in den Amtshof gelockt. Sie stoßen auf einen eisern zuversichtlichen Politiker. Brexit und Trump wirkten wie ein Weckruf auf viele, sich für das gemeinsame Projekt Europa zu engagieren, sagt der 61-Jährige. Wie ein Mantra wiederholt es der Burgdorfer mehrfach: Dazu, Europa positiv zu gestalten, gebe es keine Alternative. „Wir müssen das Wichtige besser machen und manches sein lassen.“

Sein lassen, damit meint der Sozialdemokrat selbstkritisch die Regelungsdichte in Europa, die auch im Amtshof heftig in der Kritik steht – die kleine Landschlachtereien die Existenz koste oder älteren Menschen den Zugang zu Krediten versperre.

Und das Wichtige? Es gehe um den sozialen Zusammenhalt, den die Europakommission in den zehn Jahren bis 2014 unter Präsident José Manuel Barroso sträflich vernachlässigt habe, so Lange. Auf seiner Agenda ganz oben stehen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort, ob in südoldenburgischen Schlachthöfen oder auf dänischen Baustellen, wo deutsche Maurer ausgebeutet würden. In Zeiten der Digitalisierung müsse der Arbeitsschutz ausgebaut werden. Ohne mehr „Wirtschaftssteuerung“, sprich EU-Finanzminister oder EU-Wirtschaftsregierung, ließen sich die Ungleichgewichte zwischen Euro-Zone und dem Rest der EU nicht ausbalancieren.

Und was ist mit der Solidarität in der Flüchtlingsfrage? Lange nennt eine gemeinsame Lösung für deren solidarische Verteilung eine Herausforderung. Zur Wahrheit gehöre aber, dass es Deutschland seinerseits über viele Jahre an Solidarität habe fehlen lassen, als es die Länder an den EU-Außengrenzen mit deren Flüchtlingsproblemen mit dem Hinweis auf das Dublin-Abkommen im Regen stehen ließ.

Einen ganz grundsätzlichen Rat gibt der frühere Studienrat seinem Publikum nach mehr als zwei Stunden Vortrag und Aussprache mit auf den Heimweg: „Wenn etwas nicht gut läuft, dann heißt es immer Europa. Gucken Sie immer auch mal genau auf die politischen Mehrheiten in Straßburg.“